Wetterauer Zeitung vom 04.04.01

Hessischer Rundfunk vom 07.09.2004:

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MILLIONENBETRUG

Schon bald wieder auf freiem Fuß

Angeklagter Wilhelm Just mit seinem Anwalt Christopher H.P. Haas
Er versprach sichere Anlagen und Traumrenditen. Viele Kleinanleger vertrauten ihm und verloren ihr Geld. Wilhelm Just räumte zum Prozessauftakt am Dienstag den Betrug ein: Ein Deal mit der Staatsanwaltschaft.
Angeklagter Wilhelm Just (r.)
mit seinem Anwalt Christopher H.P. Haas
 

Die Geständnisse waren das Ergebnis eines Rechtsgesprächs, sagte der Vorsitzende der Zweiten Kammer, Frank Oehm. Die Absprache beinhalte, dass gegen den Angeklagten keine höhere Freiheitsstrafe als sechs Jahre verhängt werden soll. Da ein Gefängnisaufenthalt in Brasilien umgerechnet bereits mehr als zwei Drittel der Strafe umfasse, werde der Rest auf Bewährung ausgesetzt.

Anleger um 35 Millionen geprellt

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Alleinvorstand der Firmengruppe Assekuranzkontor Just (AKJ) und den ehemaligen Mitgliedern der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrats eine lange Liste an Delikten vor: Betrug, Untreue, Insolvenzverschleppung, Bilanzfälschung und Bankrott in insgesamt 20 Fällen. Sie sollen Anleger um mindestens 35 Millionen Euro geprellt haben.

Mehr als 22.000 Gläubiger

Den Anlegern waren so genannte stille Beteiligungen verkauft und Gewinne von bis zu 14 Prozent in Aussicht gestellt worden. Als Anfang 1998 die Firmengruppe Insolvenz anmeldete, platzte für die Anleger jedoch der Traum vom großen Geld. Mehr als 22.000 Gläubiger meldeten sich bei dem Insolvenzverwalter, auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffern die Ermittler den Gesamtschaden. Die Staatsanwaltschaft beschränkte sich in der Anklage auf rund 5.800 Fälle.

Nie ernsthaft versucht Geld zu erwirtschaften

Nach Ansicht der Ermittler hat der gelernte Schlosser nie ernsthaft versucht, die versprochenen Gewinne zu erwirtschaften, und das Geld anderweitig verwendet. So habe er hohe Provisionen an seine rund 1.800 Vertriebsleute überwiesen, um den Nachschub an neuen Verträgen nicht abreißen zu lassen. Nur etwa zwölf Prozent - so die Anklagebehörde - seien in das angeblich so lukrative Leasinggeschäft geflossen, mit dem die Kunden geködert worden waren. Obwohl der Angeklagte die Gewinnerwartungen nicht halten konnte, trieb er nach Darstellung der Staatsanwaltschaft weiter Geld von seinen Anlegern ein, bis das "Schneeballsystem" zusammenbrach.

In Brasilien verhaftet

Die Ermittler werfen dem 53 Jahre alten Hauptangeklagten vor, sich auch persönlich bereichert zu haben. So habe er sich selbst eine Abfindung von 560.000 Euro genehmigt und rund 2,4 Millionen Euro in die Karibik überweisen lassen. Zielfahnder spürten den Finanzjongleur vor zwei Jahren in der Nähe von Rio de Janeiro auf, wo er nach Aufenthalten in der Dominikanischen Republik und Kanada geflüchtet war. Nach eineinhalb Jahren in brasilianischer Auslieferungshaft war er im April nach Deutschland überstellt worden.

Staatsanwaltschaft mit Faxen und E-Mails bombardiert

Bis zum Prozessauftakt fühlte sich Just zu Unrecht angeklagt. Schon aus der Dominikanischen Republik, wohin er sich nach dem Firmen-Zusammenbruch abgesetzt hatte, hatte er die Gießener Staatsanwaltschaft mit Faxen und E-Mails bombardiert. "Über Jahre hinweg hat er uns geschrieben, über unsere Ermittlungen geschimpft und seine Unschuld beteuert", erinnert sich Oberstaatsanwalt Reinhard Hübner.

Stand: 07.09.2004