BUTZBACH/GIESSEN (hh). Vehement hat er die Vorwürfe zurückgewiesen. Hat seinen Verteidiger seitenlange Schriftsätze verfassen lassen, in denen nachzulesen ist, dass der Steuergehilfe rein gar nichts mit der Buchhaltung der AKJ-Firmengruppe zu tun gehabt haben will. Und deshalb hat sich der 47-Jährige zu Prozessauftakt auch nicht an der "Verständigung" beteiligt, mit der dem wohl bislang größten Wirtschaftsverfahren in Mittelhessen ein gar schnelles Ende bereitet werden soll. Aber dann hat er urplötzlich seine Mitschuld an den groß angelegten Anlagebetrügereien doch noch erkannt. Wenn auch nur äußerst widerwillig. Bereits am Dienstag hatten seine sechs Mitangeklagten vor dem Landgericht in kurzen Erklärungen durch ihre Verteidiger mitteilen lassen, dass sie sich an den betrügerischen Geschäftspraktiken beteiligt hatten. Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Wolfgang Thiele minuziös dargelegt, wie sich der frühere Alleinvorstand Wilhelm Just und seine Mitstreiter nach Überzeugung der Strafverfolger in unterschiedlichen Konstellationen wegen Untreue und Betrug, Bilanzfälschungen und Bankrotts strafbar gemacht haben. Dadurch sollen zehntausende Anleger um einen dreistelligen Millionenbetrag geprellt worden sein. Dimensionen, die jeden Strafprozess sprengen würden. Deshalb beschränkt sich die Anklage auf 5806 Anlageverträge über Investitionen in Höhe von 69 Millionen Mark (rund 35 Millionen Euro).
Dank ihrer "Geständnisse" bleibt sechs Angeklagten ein längerer Aufenthalt hinter Gefängnismauern erspart. Auch dem Steuergehilfen. Gegen sie werden Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren und teilweise zusätzlich erhebliche Geldstrafen verhängt. Der Hauptangeklagte Wilhelm Just wird - das steht wohl fest - zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Da er nach einer spektakulären Flucht über die Dominikanische Republik und Kanada schließlich reichlich Zeit in Brasilien in Auslieferungshaft und anschließend in Deutschland in Untersuchungshaft verbracht hat, wird aber auch er nach dem Urteil auf freien Fuß kommen. Zwei Drittel seiner Strafe hat er nämlich bereits abgesessen und der Rest wird - das ist üblich - zur Bewährung ausgesetzt.
Als externer Buchhalter soll der 47-Jährige über Jahre die Bilanzen der AKJ-Gruppe geschönt haben. Aber das mochte er nicht zugeben. Selbst nachdem sein Verteidiger der Staatsanwaltschaft signalisiert hatte, dass sein Mandant seinen Teil der Verantwortung an den Betrügereien übernehmen werde, kamen die Antworten mehr als zögerlich. Bis zum "Sieg der Vernunft" machte ihm deshalb der Vorsitzende mehr als deutlich, dass nach Aktenlage seine Situation "verdammt düster ist". Und dass sich dies noch verschärfen könnte, wenn seine Mitangeklagten gegen ihn aussagen. Obendrein gab Oberstaatsanwalt Thiele eine Kostprobe seiner profunden Aktenkenntnis. Dank der vorliegenden Kontoauszüge konnte der Steuergehilfe nämlich nicht mehr leugnen, von der AKJ-Gruppe regelmäßig Zahlungen erhalten zu haben. Zumal Just bestätigte, dass der 47-Jährige für Buchhaltung und Bilanzen mitzuständig war. Überrascht zeigte sich da selbst sein Verteidiger Dr. Anton Schmölz, der "wohl falsch informiert" worden sei. Sein Mandant aber versicherte verblüfft, er habe nur gesagt, was sein Anwalt ihm aufgetragen habe. Am Dienstag soll vor der Wirtschaftsstrafkammer nun das Urteil gegen "Just und andere" verkündet werden.