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GIESSEN/WIESBADEN (dpa/lhe/jl). Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) haben
einen seit vier Jahren mit internationalem Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen
Anlagebetrüger aus dem mittelhessischen Butzbach in Brasilien aufgespürt.
Der 51 Jahre alte Wilhelm J. soll bundesweit mehr als 5000 Kunden seiner Firma
AJK Allgemeine Leasing Aktiengesellschaft um über 35 Millionen
Euro betrogen haben, wie Oberstaatsanwalt Reinhard Hübner von der zuständigen
Gießener Staatsanwaltschaft am Donnerstag berichtete. Die Anklagebehörde
hat bei der brasilianischen Justiz einen Auslieferungsantrag gestellt.
Der 51-Jährige hatte nach Darstellung der Staatsanwaltschaft so genannte
stille Beteiligungen an seine Kunden verkauft. Sie haben Anteile an der
Firma AJK erworben und hätten sich das Geld nach 20 oder 30 Jahren zum
Beispiel als Alterssicherung ausschütten lassen, erklärte Hübner.
Wilhelm J., Alleinvorstand und Mehrheitsaktionär der AJK, habe das Unternehmen
nicht von Anfang an als Lügengeschäft aufgebaut, sei aber
in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. So habe er am Firmensitz in Butzbach
einen Millionen teuren Prunkpalast gebaut und seinen Angestellten
üppige Gehälter gezahlt. Das Geld versickerte woanders als im
Anlagegeschäft, sagte Hübner.
Obwohl der mutmaßliche Wirtschaftskriminelle die Gewinnerwartungen nicht
halten konnte, trieb er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft weiterhin Geld von
seinen Anlegern ein. Anfang 1998 meldete die Firma Insolvenz an, zahlreiche
geprellte Kunden erstatteten daraufhin Strafanzeige. Wilhelm J. setzte sich
nach Erkenntnissen der Ermittler zunächst in die Dominikanische Republik
ab: Als wir mit dem Insolvenzverwalter in die Firma kamen, war er schon
weg, berichtete Hübner. Später flüchtete der Beschuldigte
nach Kanada. Doch bevor das für dieses Land notwendige Rechtshilfeersuchen
abgeschlossen war, konnte der 51-Jährige das Land unbemerkt verlassen.
Nach weiteren umfangreichen und schwierigen Ermittlungen spürten die hessischen
Fahnder ihn in Brasilien auf. Am vergangenen Donnerstag konnten die LKA-Beamten
zusammen mit Agenten der brasilianischen Bundespolizei Wilhelm J. in seiner
Villa im brasilianischen Badeort Buzios bei Rio de Janeiro festnehmen. Wilhelm
J. sitzt nun bis zu seiner Auslieferung, ein entsprechender Antrag wird vorbereitet,
in einem Gefängnis in Brasilien.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, Untreue und Konkursverschleppung
gegen den 51-Jährigen und vier ehemalige Mitarbeiter seines Unternehmens.
Dabei handele es sich um Geschäftsführer, Prokuristen und Mitglieder
des Aufsichtsrates aus dem gesamten Bundesgebiet, berichtete der Oberstaatsanwalt.
Insgesamt habe die Firma AKJ damals rund 38 500 Kunden gehabt.