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Giessener Anzeiger vom 20.09.2002:

Mutmaßlicher Anlagebetrüger aus Butzbach in Brasilien aufgespürt
Wilhelm J. soll als Alleinvorstand der Anlagenfirma „AJK“ über 5000 Kunden betrogen haben

GIESSEN/WIESBADEN (dpa/lhe/jl). Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) haben einen seit vier Jahren mit internationalem Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen Anlagebetrüger aus dem mittelhessischen Butzbach in Brasilien aufgespürt. Der 51 Jahre alte Wilhelm J. soll bundesweit mehr als 5000 Kunden seiner Firma „AJK Allgemeine Leasing Aktiengesellschaft“ um über 35 Millionen Euro betrogen haben, wie Oberstaatsanwalt Reinhard Hübner von der zuständigen Gießener Staatsanwaltschaft am Donnerstag berichtete. Die Anklagebehörde hat bei der brasilianischen Justiz einen Auslieferungsantrag gestellt.
Der 51-Jährige hatte nach Darstellung der Staatsanwaltschaft so genannte stille Beteiligungen an seine Kunden verkauft. „Sie haben Anteile an der Firma AJK erworben und hätten sich das Geld nach 20 oder 30 Jahren zum Beispiel als Alterssicherung ausschütten lassen“, erklärte Hübner. Wilhelm J., Alleinvorstand und Mehrheitsaktionär der AJK, habe das Unternehmen nicht von Anfang an als „Lügengeschäft“ aufgebaut, sei aber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. So habe er am Firmensitz in Butzbach einen Millionen teuren „Prunkpalast“ gebaut und seinen Angestellten üppige Gehälter gezahlt. „Das Geld versickerte woanders als im Anlagegeschäft“, sagte Hübner.

Obwohl der mutmaßliche Wirtschaftskriminelle die Gewinnerwartungen nicht halten konnte, trieb er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft weiterhin Geld von seinen Anlegern ein. Anfang 1998 meldete die Firma Insolvenz an, zahlreiche geprellte Kunden erstatteten daraufhin Strafanzeige. Wilhelm J. setzte sich nach Erkenntnissen der Ermittler zunächst in die Dominikanische Republik ab: „Als wir mit dem Insolvenzverwalter in die Firma kamen, war er schon weg“, berichtete Hübner. Später flüchtete der Beschuldigte nach Kanada. Doch bevor das für dieses Land notwendige Rechtshilfeersuchen abgeschlossen war, konnte der 51-Jährige das Land unbemerkt verlassen. Nach weiteren umfangreichen und schwierigen Ermittlungen spürten die hessischen Fahnder ihn in Brasilien auf. Am vergangenen Donnerstag konnten die LKA-Beamten zusammen mit Agenten der brasilianischen Bundespolizei Wilhelm J. in seiner Villa im brasilianischen Badeort Buzios bei Rio de Janeiro festnehmen. Wilhelm J. sitzt nun bis zu seiner Auslieferung, ein entsprechender Antrag wird vorbereitet, in einem Gefängnis in Brasilien.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, Untreue und Konkursverschleppung gegen den 51-Jährigen und vier ehemalige Mitarbeiter seines Unternehmens. Dabei handele es sich um Geschäftsführer, Prokuristen und Mitglieder des Aufsichtsrates aus dem gesamten Bundesgebiet, berichtete der Oberstaatsanwalt. Insgesamt habe die Firma AKJ damals rund 38 500 Kunden gehabt.